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Realisierungswettbewerb Klimaquartier Schweinfurt

2022
Anerkennung

Ausloberin: Stadt Schweinfurt

Mitarbeit: Lea Schön, Magdalena Müller

Wettbewerb in Zusammenarbeit mit walk architekten + generalplaner

Landschaftsarchitektur: Studio Vulkan Landschaftsarchitektur

Auf Gemeinschaft und Nachhaltigkeit ausgerichtet

Mit dem integrierten Gesamtkonzept als Leitbild werden mit dem vorliegenden Entwurf Ansätze angeboten, eine auf Gemeinschaft und Nachhaltigkeit ausgerichtete Wohnbebauung zukunftsfähig zu machen. Für dieses Ziel ist es entscheidend, die vielgestaltigen Teilaspekte in ein ausbalanciertes Ganzes zu bringen.

 

Das Energiekonzept – bauliche Maßnahmen

Das vorgeschlagene Energiekonzept folgt dem Grundsatz, den Verbrauch von Energie und Ressourcen durch die Priorisierung von baulichen vor technischen Maßnahmen zu minimieren. Der Lösungsweg liegt in einem mehrperspektivischen Ansatz der Architektur als Zusammenspiel der Aspekte Besonnung, Beschattung, Begrünung, Durchlüftung und Speicherfähigkeit des Gebäudes. Im Fokus liegen angenehme Temperaturen und hohe Behaglichkeit der Wohnungen unter Einbeziehung der physikalischen Parameter von Sonne, Luft und Wasser. Die Sonne, gewollt im Winter und im Überfluss im Sommer vorhanden, hat den entscheidenden Einfluss auf die Ausgestaltung der Fassaden. Ihr Konzept ist bestimmt vom moderaten Glasanteil wie von differenzierten Beschattungssystemen der Balkone und hofseitigen Fassadenbepflanzungen. Die Luft als Energieträger wird mittels Zirkulation und Thermik temperaturausgleichend eingesetzt. Die Wohnungen sind daher als Dreispänner außenseitig durchgesteckt organisiert, sodass sich die Möglichkeit einer Querlüftung ergibt. Um die mittlere Wohnung im Sommer an eine Luftzirkulation anzuschließen, werden Windtürme vorgeschlagen, deren thermische Wirkung auch im Winter die durch einen Erdkanal geführte vorgewärmte Luft an die Wohnungen verteilt. Das Wasser, vertiefend bei den Außenanlagen beschrieben, liefert über die Verdunstungskühle abgesenkte Lufttemperaturen für die Wohnungen.

 

Das Energiekonzept – technische Maßnahmen

Im Zentrum des Energiekonzeptes steht die Photovoltaik und das Konzept der Sektorenkopplung, um den erzeugten Strom mit möglichst hohem Eigenstromverbrauch für Wärme, Strom und Mobilität zu verwenden. Kollektorflächen sind auf dem Dach wie auch an den Balkonbrüstungen montiert, deren Strom für eine Wärmepumpe und als Ladeenergie für E-Autos herangezogen wird. Ladestationen werden im nahegelegenen Parkhaus eingebaut. Dezentrale Wohnungsstationen werden zur Regelung der Erwärmung von Trinkwasser und Raumwärme vorgeschlagen. Der Aufwand für die technischen Anlagen wird somit vereinfacht.

 

Maßnahmen zur Klimaanpassung

Das Klima ändert sich - andauernde Hitzeperioden und lange Trockenphasen gehen mit extremen Starkwetterereignissen einher. Veränderungen, die ein Umdenken im Planen und Bauen auf verschiedenen Ebenen zwingend nötig machen. Durch ein optimiertes Feuerwehrerschließungs- und Entsorgungskonzept können die befestigten Flächen im Erdgeschoss auf ein Minimum reduziert werden. Die erforderlichen Belagsflächen sind entweder als wassergebundene Decken versickerungsoffen oder als wasserdurchlässiger Belag atmungsaktiv gestaltet. Eine helle Belagsfarbe erhöht das Rückstrahlvermögen der Freianlage und wirkt der Hitzeinselbildung entgegen. Der geringe Versiegelungsgrad bzw. der hohe Grünanteil im Erdgeschossentwurf trägt zu einer erhöhten Versickerung bzw. Verdunstung von gespeichertem Regenwasser bei und senkt das Mikroklima im direkten Projektumfeld. Mit einem angepassten Begrünungskonzept wird auf die sich ändernde Lebensumwelt reagiert. Bei den vorgeschlagenen strukturgebenden und schattenspendenden Großgehölzen handelt es sich um Klimabäume verschiedener Wuchsklassen. Die Grünflächen sind mit einer standortgerechten Wiesenansaat artenreich und ansprechend begrünt. Auf den Dachflächen sind in Kombination mit den PV-Anlagen artenreiche, extensiv begrünte Biodiversitätsdächer angelegt. Der hohe Begrünungsgrad in Kombination mit einem Retentionsaufbau auf den Dachflächen führt zu einem hohen Regenwasserrückhalt. Das wenige, zu versickernde Niederschlagswasser kann über außenliegende, bepflanzte Versickerungsmulden dezentral versickert werden. In den auf ca. 30 cm unter GOK modellierten Anstauflächen kann auch das Jahrhundertregenereignis oberflächig eingestaut werden. Bei der Materialauswahl in den Freianlagen wird auf Plastik verzichtet und wenn möglich Recyclingmaterial als Betonzuschlagstoff oder z.B. als Tragschicht verwendet. Bei der Beleuchtung der Freianlagen wird auf eine insektenschonende, emissionsarme Ausleuchtung Wert gelegt.

 

Beitrag zum nachhaltigen Bauen (QNB)

Im Bereich der ökologischen Qualität stehen Maßnahmen zur Senkung der CO2 Bilanz im Fokus. Als Bauweise wird eine Hybridkonstruktion aus einem Primärtragwerk aus Stahlbetonstützen und vorgespannten Hohlbodendeckenelementen wie einer nichttragenden Fassade mit Trennwänden aus Holzrahmenelementen vorgeschlagen. Damit wird ein sparsamer Verbrauch von Ressourcen und ein hohes CO2-Senkungspotential erreicht. Im Bereich der ökonomischen Qualität führt ein hoher Vorfertigungsgrad zu einer kostenbewussten Bauweise. Die soziokulturelle Qualität steht im vorgeschlagenen Konzept einer auf eine Gemeinschaft ausgerichteten Bebauung im Mittelpunkt. Die Umsetzung des Cradle-to-Cradle-Prinzips ist mit den gewählten Konstruktionen durch die Trennung und Recyclingfähigkeit der unterschiedlichen Bauteile gegeben.

 

Orte der Gemeinschaft

Mit einer kräftigen architektonischen Geste bindet der Ring im dritten Obergeschoss die Einzelbaukörper zu einem geschlossenen Ganzen zusammen. Er ist, im Gegensatz zum halböffentlichen Innenhof, halbprivaten Charakters und bietet eine einzigartige Qualität der Aneignung für die Bewohner. Ihm zugeordnet sind die Plusräume, die neben Ihrer Funktion als Abstellräume vielfältigsten Nutzungen zugeführt werden können. Als Werkstatt, Atelier oder Musikzimmer bereichern sie die Vielfalt des gemeinschaftlichen Lebens. Dessen zentraler Punkt mit Spielplatz und Gemeinschaftsraum ist der Innenhof.

 

Bezahlbare Wohnqualität

Architektur, als komplexes Ganzes begriffen, benötigt ein starkes Moment der Einfachheit, um leistbar zu bleiben. Die vorgeschlagene Hybridbauweise optimiert die Teilfunktionen der Trag- und Hüllkonstruktion wie der raumtrennenden Elemente mit einer jeweils optimierten, kostengünstigen Bauweise. Darüber hinaus muss der Grad der Standardisierung durch eine serielle, vorgefertigte Bauweise stark erhöht werden. Die Grundrisse sind mit Ihren einheitlichen Maßverhältnissen für den Einsatz von Fertigdecken und -bädern ausgelegt. Der Low-Tech Ansatz in der Gebäudetechnik unterstützt das kostengünstige Bauen. Die Einfachheit der Grundrisse ermöglicht außerdem eine hohe Flexibilität in den Wohnungsgrößen. Schaltzimmer können nach Bedarf der jeweiligen Nutzer verschiedenen Wohnungen zugeschaltet werden.

 

Brandschutz

Durch den Ring im dritten Obergeschoss, über den die Wohnungen wie über einen Laubengang erschlossen sind, kann aus jeder Wohnung, die nicht mehr mit der Steckleiter erreichbar ist, über zwei bauliche Rettungswege geflohen werden. Die Feuerwehr muss lediglich an die Wohnungen im 4. - 6. Obergeschoss im Turm von der Platzseite aus an das Gebäude anfahren können und entsprechende Stellflächen vorfinden. Der Grad der Versiegelung wird dadurch weiter minimiert.

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